Dienstag, 3. Februar 2009

Deregulierung, Solidarökonomie, Akkumulationskrise oder Sozialismus

Im Mittelpunk des Forums stand inhaltlich, zumindest für Medien und „alte“ Hasen der Bewegung, eine Antwort auf die wechselweise „Trikrise (Finanz-, Klima-, Nahrungskrise) oder gleich „Große Zivilisationskrise“ genannte ökonomische Erscheinung. Gefragt wurde nur, ob wir uns chancenreich oder apokalyptisch auf die Krise zu bewegen.

„Davos tot – Belém tanzt Samba“ hat natürlich vielen, die seit der Asienkrise 1997 genau das vorhergesehen haben, doch viel Genugtuung verschafft – seht her wir haben Recht gehabt! Man möchte traurig hinzufügen – leider! Die Analyse, ob es sich um eine klassische Überproduktionskrise, um eine neomarxistische Akkumulationskrise oder doch nur neokeynesianisch um eine Deregulierungskrise handelt, gingen zwar auseinander in Belém, aber einig war man sich, dass die „Linke Legitimationskrise“ seit dem Sturz der Berliner Mauer vorbei ist. Tatsächlich klingen die Vorschläge auf den Veranstaltungen nach Trockenlegung der Steueroasen, Verstaatlichung der Banken, demokratischer Kontrolle der Großkonzerne, etc. heute nach einem Bewerbungsschreiben bei Finanzminister Steinbrück. Aber auch der alte „Menschheitstraum“ nach Überwindung des kapitalistischen Systems und der Ruf nach einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts sind wieder hoffähig geworden.
Und das zu Recht. Dennoch stellen sich Menschen aus afrikanischen und den ärmsten asiatischen Ländern, aber auch Vertreter von Basisorganisationen, die mit den Ärmsten und Verletzlichsten in Schwellenländern wie Brasilien leben und arbeiten, die Frage, ob tatsächlich diese Drei- Vier oder Fünffachkrise die Chance bietet, durch eine Systemüberwindung für immer Schluss zu machen mit Hunger, Armut und Rechtlosigkeit.

Ich glaube, dass wir sehr schnell erleben werden, dass es gerade diese Menschen in den ärmsten Ländern sein werden, die zu allererst wieder die Opfer sind. Schon jetzt nimmt täglich die Zahl der Hungernden zu, weil deregulierte Staatssysteme keinen Schutz bieten. Kein afrikanisches Land kann aus der Portokasse mehrere Milliarden zur „Konjunkturbelebung“ ausschütten. Wenn Turbinen in den staatlichen Kraftwerken kaputtgehen, dann sind Kredite für neue kaum oder nur zu hohen Zinsen zu erhalten. Die wenigen Devisenüberschüsse der letzten Jahre regelmäßigen Wachstums wurden schon für Nahrungskäufe im Frühjahr 2008 aufgebraucht. Viele der gerade entschuldeten Staaten nehmen wieder Geld auf, um die allernotwendigsten sozialen Dienste aufrecht zu erhalten, und das zu horrenden Zinsen. Warum diese Krise existiert, wie wir sie bezeichnen, wie sie entstanden ist, interessiert in Afrika kaum jemanden, sie haben sie nicht verursacht und ihnen ist es egal, wie man sie nennt. Afrikas Menschen werden sie zu spüren bekommen und dafür bezahlen müssen. Von einem Morgen im Sozialismus des 21 Jahrhunderts mögen sie träumen, vom erneuten Rückfall in schlimmste Hungerzeiten sind sie heute bedroht. Aber auch davon war in Belém zu hören. Denkanstöße zur Zukunft Afrikas aus dem letzten Weltsozialforum in Nairobi wurden weiter entwickelt und in Belém in Debatten eingebracht. Wenige Stimmen zwar, aber doch ausreichend und am meisten doch durch die kirchlichen Werke wie dem EED und Brot für die Welt mit ihren langjährigen engen Beziehungen zu afrikanischen Partnern. Dennoch ist dieser Austausch zwischen den vermeintlichen Visionären einer besseren Zukunft und den Aktiven und Schwachen einer miserablen Gegenwart eine der zivilisatorischen Leistungen der Idee des Weltsozialforums. Ja, Belém war ein Treff der Weltmeinungen und ein Grund, Samba zu tanzen, noch besser wäre es in Zukunft, zusätzlich auch Davos, den Ort des Weltwirtschaftsforums zum Tanzen zu bringen.

Francisco Marí

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